"Mit Vorliebe malte er recht belebte Straßen bei dunstigem, regnerischem Wetter, bei dem Menschen und Dinge im nassen Asphalt sich spiegeln, zeigte sie in Abendstunden, wenn die elektrischen Monde, die hell erleuchteten Auslagefenster und die Lichter der Wagen ebenfalls aus dem Spiegel des nassen Pflasters widerscheinen, das ganze Straßenbild ein blinkendes Gewirr von bewegten Lichtern aller Farben und Stärkegrade bildet und die Bauformen darüber in Schatten und Regendunst verschwimmen. Auch graphisch hat Vetter diese Stimmungen vielfach mit besonders glücklicher Hand festgehalten. Die Theatinerhofkirche mit ihrer schönen Kuppel und ihren barock-malerischen Türmen, der "Viktualienmarkt", ... der Platz am alten Karlstor, der Bahnhofplatz, das sind echt Vettersche Motive, Motive, die nicht nur dankbar, sondern auch ganz spezifisch münchnerisch sind (...)
Wenn Charles Vetter draußen in der Vorstadt malte, konnte er seine Staffelei wohl unmittelbar vors "Modell" hinstellen - wollte er die inneren Straßen der Stadt studieren, so mußte er sich irgendwie den Anblick durch ein Fenster suchen. So malte er die Theatinerstraße am alten Polizeigebäude, den Marienplatz und das "Tal" vom alten Rathause, die Maximilianstraße vom Zechbauerhaus, studierte die Straßen, die er bevorzugte, bald aus dem, bals aus jenem Fenster eines Privat- oder Geschäftshauses. Hatte er sich müde gearbeitet an seinen Stadtbildern, so suchte er sich ein schönes altes Interieur zum Beispiel in der Münchener Residenz, die ja unendlich reich ist an solchen Motiven aus vier Jahrhunderten und Vetter auch schon den Stoff zu mancherlei Bildern bot. Im Atelier pflegte er, was sich aus der Eigenart seiner Studienweise und seiner stofflichen Spezialität schon ergibt, wenig zu arbeiten."
(Fritz von Ostini, Charles Vetter, in: Hermann Reiner, Münchner Impressionisten der zwanziger Jahre, Verlag H. Reiner Babenhausen, 1981).

Foto: Peter Zimmermann, Charles Vetter, Ein Stimmungsmaler zwischen Merseburg und München, Sax-Verlag Beucha-Markkleeberg, 2017, Abb. S. 104.